16.07.2024

Unternehmens-Insolvenzen: Rettung mit Hürden 🚫

Credion Portrait

„Zahl der Firmenpleiten erreicht neuen Rekordwert“, „Höchststand bei Firmenpleiten“ oder „Rekord-Insolvenzen in 2024“ waren nur drei von zahlreichen alarmierenden Schlagzeilen aus dem ersten Halbjahr 2024. Kleiner CREDION-Check für die Freunde der Fakten: Zwischen dem Jahr 2000 und dem Jahr 2019 lag das arithmetische Mittel der Unternehmensinsolvenzen pro Jahr bei exakt 29.099 – und damit um satte 63,3% höher als im vergangenen Jahr (17.814). Richtig ist aber: Die Zahl der Insolvenzen bei Großunternehmen wächst und die Rettung aus der Insolvenz wird zunehmend schwierig.

Corona-Hilfen immunisierten kurzfristig zahlreiche Zombies 💉

Die Basis macht‘s: Die Corona-Hilfen immunisierten zahlreiche Unternehmen – zumindest kurzfristig – gegen die Insolvenz-Influenza. Darunter waren ganz ohne Frage zahlreiche Zombie-Unternehmen. So gab es seit dem Jahr 2000 keinen niedrigeren Wert als 2021: Gerade mal 13.993 Unternehmensinsolvenzen waren zu verzeichnen. Der Anstieg auf 17.814 Insolvenzen im Jahr 2023 bleibt damit nicht nur meilenweit unter dem langjährigen Mittel, sondern auch unter dem Vor-Corona-Jahr 2019 (18.749). Würde man die Zahl der Insolvenzen aus dem ersten Quartal 2024 (5.209) auf das Gesamtjahr hochrechnen (20.836), läge der Wert um 28,4 Prozent unter dem langjährigen Mittel und auch unterhalb des Niveaus von 2016 (21.518). Und das war mit einem BIP-Wachstum von rund 2% alles andere als ein Krisenjahr. Zum Vergleich: Den Höchstwert seit 2000 erreichte die Zahl der Insolvenzen im Jahr 2003 mit 39.320 – ein Jahr mit einer leichten Rezession (-0,1%) und immerhin 4,4 Millionen Arbeitslosen.

Wachsende Zahl von Insolvenzen bei Großunternehmen 📈

Was aber tatsächlich zu beobachten ist: Die Zahl der Insolvenzen bei Großunternehmen wächst. Eine aktuelle Analyse der Unternehmensberatung Falkensteg zeigt, dass die Zahl der Insolvenzen von Großunternehmen mit einem Umsatz von über 10 Mio. Euro im ersten Halbjahr 2024 um 41% auf 162 gestiegen sind. Alarmierend ist dabei, dass die Erfolgsquote bei Sanierungsversuchen sinkt: Von 96 Sanierungsverfahren endeten 40 mit einer Betriebsschließung oder Masseunzulänglichkeit, ein Anstieg von 43% im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.

Rettung aus der Insolvenz mit Hürden 🏃‍♂️🔄

„Die Rettung von Unternehmen aus der Insolvenz wird immer komplexer“, erklärt Jonas Eckhardt, M&A-Experte und Partner bei Falkensteg. „Hohe Zinsen verteuern den Erwerb insolventer Firmen oder machen ihn unattraktiv. Unsichere Umsätze schrecken potenzielle Investoren ab.“

Im ersten Halbjahr 2024 gab es 56 erfolgreiche Verfahrenslösungen durch Unternehmensverkäufe oder Insolvenzplanlösungen. Der Fünfjahresdurchschnitt liegt bei rund 63. Besonders betroffen sind Automobilzulieferer und Maschinenbau, wo die positiven Ausgänge um ein Drittel unter dem Durchschnitt lagen. In den Branchen Fashion und Einzelhandel verdoppelten sich die Betriebsschließungen im Vergleich zu den letzten fünf Jahren.

Jonas Eckhardt betont die Notwendigkeit umfassenderer operativer Sanierungen:

„Ein einfaches Ansanieren reicht nicht mehr aus, wenn es an Käufern mangelt, aber eine Unternehmensfortführung vorteilhaft erscheint. Das Sanierungswerkzeug der Insolvenzordnung muss umfassend angewendet werden. Um Investoren zu finden, müssen Organisationsstrukturen und Mitarbeiterstärke schon während des Verfahrens an die veränderten Marktverhältnisse angepasst werden. Eine bloße bilanzielle Restrukturierung durch einen Schuldenschnitt greift zu kurz. Mit dem StaRUG-Instrument ist dies heute auch außerhalb eines Insolvenzverfahrens möglich.“

Hinter dem Kürzel „StaRUG“ steckt das Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen vom 22. Dezember 2020. Das Gesetz ist zum 1. Januar 2021 in Kraft getreten und setzt die Europäische Restrukturierungs-Richtlinie in deutsches Recht um. Im deutschen Sanierungsrecht fehlten zuvor spezielle Regelungen für die Durchsetzung und Umsetzung von Sanierungen im Vorfeld eines Insolvenzverfahrens. Diese Lücke schließt nun das StaRUG. Das StaRUG gibt Unternehmen in der Krise verschiedene Instrumente zur Unterstützung der Sanierung außerhalb eines Insolvenzverfahrens in die Hand. Ziel ist die Durchsetzung und Umsetzung eines Sanierungskonzepts des Schuldners und damit letztlich die Vermeidung eines Insolvenzverfahrens. Herzstück der Restrukturierung nach dem StaRUG ist der Restrukturierungsplan des Schuldners. Dieser fasst sämtliche Maßnahmen und Beiträge, die zum Erreichen des Sanierungsziels erforderlich sind, zusammen.

Wachstumswende ist nötig - Finanzierung bei solidem Geschäftsmodell ✔️

CREDION-Gründer Tobias M. Weitzel: „Selbstverständlich müssen wir zulassen, dass nicht funktionierende Geschäftsmodelle aus dem Markt ausscheiden. Insolvenzen sind aber vielfach auch eine Chance auf einen Neuanfang. Unternehmen, denen in der Insolvenz eine erfolgreiche fundamentale Sanierung gelungen ist, geben wir mit unserem Wachstumsfonds eine Starthilfe über mehrere Jahre. Die Falkensteg-Analyse zeigt, dass es selbstverständlich darum gehen muss, durch eine Restrukturierung ein tragfähiges Geschäftsmodell zu schaffen. Die Herausforderung sind die Rahmenbedingungen für Investitionen in Deutschland – von Energiekosten und Bürokratie über ein komplexes und international nicht wettbewerbsfähiges Steuersystem sowie Facharbeitermangel bis hin zu Infrastruktur-Defiziten. Die OECD-Daten haben das 2023 für das Vorjahr schon klar deutlich gemacht: Während die Abflüsse bei fast 135,5 Milliarden Euro lagen, wurden nur noch rund 10,5 Milliarden Euro in Deutschland investiert. Da brauchen wir eine Wachstumswende, die genau diese Hemmnisse beseitigt.“

Referenzen:

https://www.destatis.de/DE/Themen/Branchen-Unternehmen/Unternehmen/Gewerbemeldungen-Insolvenzen/Tabellen/lrins01.html#242428 

Inflationsfolgen treffen Insolvenzverfahren: Rettung wird immer seltener - FalkenSteg